Die vom Grundgesetz gewollte Tarifautonomie funktioniert nicht mehr. Denn immer mehr Medienhäuser entziehen sich verbindlichen Konditionen für die Arbeit ihrer Journalist*innen. Also ist die Politik zum Handeln aufgerufen.
Ausgehend von diesem Gedanken hat sich der Landesverband Bayern der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union an die bayerischen Parteien gewandt. In ihrem Brief rufen die dju-Sprecher Klaus Schrage und Heinz Wraneschitz die im Landtag vertretenen Parteien (Ausnahme: AfD) sowie Die Linke und die ÖDP dazu auf, eine Bundesratsinitiative der Länder Bremen, Brandenburg, Thüringen, Berlin und Hamburg zur Stärkung der Tarifautonomie zu unterstützen.
Die dju erinnert an die Feiern zum 70. Geburtstages des Grundgesetzes. Darin sei auch die Soziale Marktwirtschaft verankert. Und hier seien das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit und daraus folgend die Tarifautonomie wichtige Grundpfeiler. Der Staat halte sich überall dort mit der Regelung von Arbeitsbedingungen zurück, wo sich also Gewerkschaften und Arbeitgeber auf Augenhöhe treffen, um die Konditionen für Arbeitsverhältnisse auszuhandeln. Funktioniere dies, trügen Tarifbedingungen erfolgreich zur Ordnung und Befriedung des Arbeits- und Wirtschaftslebens bei.
Jedoch, so Schrage und Wraneschitz, sei gerade auch im Medienbereich ein dramatischer Bedeutungsverlust tarifvertraglicher oder ähnlicher Regelungen zu erleben. So würden über Jahre hinweg Vereinbarungen für freiberufliche Journalist*innen zwischen den Verlegern und den Gewerkschaften konsequent ignoriert, die so genannten „Vergütungsregeln“. Im reichen Freistaat Bayern gebe es viele eklatante Beispiele im Angestelltenbereich: Bei der Passauer Neuen Presse ist der gewerkschaftliche Einsatz für eine Rückkehr in die Tarifbindung abgeblockt worden, in den aufgekauften Häusern dieses Medienkonzerns mit seinen 7800 Mitarbeitern und 320 Millionen Euro Jahresumsatz herrsche das Prinzip des Arbeitgeber-Diktats von Konditionen.
Die Mittelbayerische Zeitung habe sich, so die dju, auf den Pfad der Tariflosigkeit begeben. Die Konditionen für die Mitarbeiter*innen der Abendzeitung München würden vom Verleger in Landshut festgelegt, welcher Tarifverträge ganz offen als Sozialromantik bezeichnet. Der frühere Verlag Fränkischer Tag in Bamberg sei in viele kleine Gesellschaften zerlegt worden. Die Entgelte lägen mindestens 15 Prozent unter Tarif.
Die Mediengruppe Ippen habe im Zuge ihrer Aufkäufe dafür gesorgt, dass es in ganz Hessen keinen einzigen tarifgebundenen Verlag mehr gibt. Die Südwestdeutsche Medienholding entscheide von Fall zu Fall, ob und auf welchen Berufsfeldern die von ihr in Bayern herausgegebenen Zeitungen tarifgebunden oder tariflos sind. Onliner oder Verlagsangestellte der Süddeutschen Zeitung haben schlechte Bedingungen.
Erheblich sei die Tarifflucht im Druckbereich. So unterhalte die Augsburger Allgemeine einen kleinen tarifgebundenen Betrieb neben einer großen tariflosen Druckerei und sichere sich somit das Recht, in Tarifkonflikten als eine Verhandlungsführerin aufzutreten. Dies sei, so die dju Bayern, eine Perversion der Gedanken unseres Grundgesetzes: Tarifflüchtlinge bestimmten die Verhandlungen mit den Gewerkschaften.
Diese Beispiele zeigten, dass zu viele Arbeitsverhältnisse zum Gegenstand wettbewerblicher Auseinandersetzung geworden seien. Die Politik müsse also handeln. Dabei sei es nicht das Ziel, dass der Staat Konditionen der Arbeit selbst regelt. Die Gewerkschaft stehe zum Grundgesetz und dessen Vorgaben. Notwendig sei aber ein gesetzlicher Rahmen, um Tarifautonomie bejahend anzunehmen. Denn diese werde auch in Zeiten der Digitalisierung gebraucht.
Vor allem ein Erleichtern von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen bezeichnen die dju-Vertreter als sinnvolles Ziel. Es dürfe nicht mehr so sein, dass Arbeitgeber diese in den Tarifausschüssen durch ein schlichtes Nein blockieren können, indem sie in den Abstimmungen ein Patt herbeiführen. Auch steuerliche Anreize für tarifgebundene Betriebe und Nachteile für tariflose Unternehmen könnten ein Beitrag sein. Geschehen müsse etwas, denn es gehe um nicht weniger als um Fairness im Wirtschaftsleben und um den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft.
kls
Anmerkung: Der Brief an die bayerischen Parteien ist an diesen Beitrag angehängt.
Auskünfte zur dju-Initiative erteilen Klaus Schrage, Telefon 0179/29623421 und Heinz Wraneschitz, Telefon 0171/7356947.
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